
Wir sind Geschwister
Papst Franziskus und der Moskauer Patriarch Kyrill I. haben sich bei ihrem historischen Gipfeltreffen am Freitag, 12. Februar 2016, auf Kuba für die Wiederherstellung der christlichen Einheit und zur Zusammenarbeit bei den Herausforderungen der Welt ausgesprochen. In einer 30 Punkte umfassenden gemeinsamen Erklärung beklagen sie, dass weiterhin zahlreiche Hindernisse zwischen den Kirchen und Christen andauerten. Dennoch müssten Orthodoxe und Katholiken versuchen, ein "einmütiges Zeugnis für die Wahrheit zu geben". "Wir sind nicht Konkurrenten, sondern Geschwister", heißt es in dem Text, der folgenden Wortlaut (Quelle: www.vatican.va) hat:
Mit Freude sind wir als Brüder im christlichen Glauben zusammengekommen, die sich treffen, um persönlich miteinander zu sprechen (vgl. 2Joh 12), von Herz zu Herz, und die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Kirchen, den wesentlichen Problemen unserer Gläubigen und die Aussichten zur Entwicklung der menschlichen Zivilisation zu erörtern.
Wir freuen uns, dass der christliche Glaube hier in dynamischer Weise im Wachsen begriffen ist. Das starke religiöse Potential Lateinamerikas, seine jahrhundertealte christliche Tradition, die in der persönlichen Erfahrung von Millionen von Menschen zum Ausdruck kommt, sind die Garantie für eine große Zukunft für diese Region.
Wir bitten alle, die auf das Schicksal der Entführten, unter ihnen die Metropoliten von Aleppo Pavlos und Yohanna Ibrahim, die im April 2013 verschleppt wurden, Einfluss nehmen können, alles zu unternehmen, was für ihre rasche Befreiung nötig ist.
Einen dringenden Appell richten wir an alle Parteien, die in die Konflikte verwickelt sein können, auf dass sie guten Willen zeigen und sich an den Verhandlungstisch setzen. Zugleich ist es nötig, dass die internationale Gemeinschaft alle möglichen Anstrengungen unternimmt, um dem Terrorismus mit Hilfe von gemeinsamen, vereinten und abgestimmten Aktionen ein Ende zu setzen. Wir rufen alle Länder auf, die in den Kampf gegen den Terrorismus involviert sind, in verantwortungsvoller und umsichtiger Weise zu handeln. Wir ermahnen alle Christen und alle Gottgläubigen, mit Inbrunst den sorgenden Schöpfer der Welt zu bitten, auf dass er seine Schöpfung vor der Vernichtung bewahre und keinen neuen Weltkrieg zulasse. Für einen dauerhaften und zuverlässigen Frieden sind besondere Bemühungen erforderlich, die darauf ausgerichtet sind, die gemeinsamen, uns verbindenden Werte wiederzuentdecken, die im Evangelium unseres Herrn Jesus Christus ihr Fundament haben.
Die Entwicklung der sogenannten Euthanasie führt dazu, dass die alten Menschen und die Kranken beginnen, sich als eine übermäßige Last für ihre Familien und die Gesellschaft allgemein zu fühlen.
Wir sind auch besorgt über die Entwicklung der technischen Entwicklung der biomedizinischen Fortpflanzung, denn die Manipulierung des menschlichen Lebens ist ein Angriff auf die Grundlagen der Existenz des Menschen, der als Abbild Gottes erschaffen ist. Wir halten es für unsere Pflicht, an die Unveränderlichkeit der christlichen moralischen Grundsätze zu erinnern, die auf der Achtung der Würde des Menschen beruhen, der nach dem Plan Gottes ins Leben gerufen ist.
Wir sind nicht Konkurrenten, sondern Geschwister, und von dieser Vorstellung müssen alle unsere wechselseitigen Unternehmungen wie auch die gegenüber der Außenwelt geleitet sein. Wir fordern die Katholiken und die Orthodoxen aller Länder auf zu lernen, in Frieden, in der Liebe und in „Einmütigkeit“ (Röm 15,5) zusammenzuleben. So darf man nicht zulassen, dass unlautere Mittel eingesetzt werden, um die Gläubigen zum Übertritt von einer Kirche zur anderen zu bewegen, und so ihre Religionsfreiheit und ihre Traditionen verneint werden. Wir sind berufen, nach der Regel des Apostels Paulus zu handeln: Ich habe „darauf geachtet, das Evangelium nicht dort zu verkündigen, wo der Name Christi schon bekannt gemacht war, um nicht auf einem fremden Fundament zu bauen“ (Röm 15,20).
Christus ist die Quelle von Freude und Hoffnung. Der Glaube an ihn verwandelt das menschliche Leben und erfüllt es mit Sinn. Davon haben sich durch die eigene Erfahrung alle überzeugen können, auf die man die Worte des Apostels Petrus beziehen kann: „Einst wart ihr nicht sein Volk, jetzt aber seid ihr Gottes Volk; einst gab es für euch kein Erbarmen, jetzt aber habt ihr Erbarmen gefunden“ (1Petr 2,10).
Franziskus Bischof von Rom Papst der katholischen Kirche |
Kyrill Patriarch von Moskau und dem ganzen Rus |